Rosa Stern: me, me

28. Mai 2021 – 16. Juni 2021

Rosa Stern - me, me

Rosa Stern, me, me, 2021, Liegestühle, Stoffbahnen, Schraubhaken, Theraband, LED-Bänder, Rückprojektionsfolie, Schwerlasthaken, © Rosa Stern, Foto: Rosanna Marie Pondorf

Me, ein fluides Selbst innerhalb lebendiger Netzgesellschaften schwebt sehnsüchtig als mallorquinischer Küstentraum über einem Liegestuhl in liquiden Zwischenräumen.

Eine Ausstellung über gemeinsam erlebte Gegenwart, digitale Reputationszwänge und flüssige Identitätskonstruktionen in zukünftigen Ausgrabungsstätten reiselustiger Urlauber.

Mit dieser Selbstauskunft spannen Rosanna Marie Pondorf und Simon Sternal konzeptuell ihre Raum-in-Raum-Konstruktion für @base auf. Sie präsentieren in lebloses Display-Blau getaucht eine Installation aus weißen Latexbändern, weißen Liegestühlen und per Touchscreen erzeugten Buchstaben, die zwischen einem analogem und digitalem Ich hin und her schwebt. Als Trägermedium der »Selbst«-Behauptung dienen im Zentrum der Arbeit zwei große schwarze Stoffbahnen. Seit 2017 arbeiten Rosanna Marie Pondorf und Simon Sternal unter dem Pseudonym Rosa Stern zusammen und betreiben einen ambitionierten Offspace im Münchner Norden. In ihren Werken umkreisen sie physische und virtuelle Räume, widmen sich in immer neuen Materialitäten dem greifbaren Objekt und seiner virtuell duplizierten, diffundierenden Idee.

Mit »me, me« graben sie beherzt nach den Fundamenten aktueller Identitätsbestimmung. In Anbetracht unendlicher Möglichkeiten der Ich-Definition wird es in virtuellen Räumen zunehmend schwieriger, ein »me« zu formen. Das künstlich gestaltete Ego zerläuft in viele Einzelaspekte, wird diffus und verliert an Bestimmtheit. Für diese sich beschleunigende kulturelle Transformation findet Rosa Stern ein klar konturiertes Setting mit direktem physischem Touch und macht das Dilemma des fluiden Selbst sichtbar. So hängen auf große Stoffbahnen gedruckt zwei verloren wirkende »me«s im Raum, abstrakte Behauptung ohne Fleisch und Blut, isoliert und ohne »you« als Gegenüber. Eher sind es zwei angestrengt nach Selbstbehauptung strebende »Ichs«. Vielleicht ist – der, die, das – Gegenüber auch nur ein Replikant des »me«? Drumherum zehren die Kräfte am wabernden Fitnessband. Dazwischen blaue abstrakte Leere, ein Resonanzraum zwischen zwei oder mehreren Entitäten und deren Abbildern. Es wirkt anstrengend, ein digitales »me« zu sein in all den Chatforen, auf all den Plattformen. Reputation ist zu wahren. Erst recht ist es Kräfte zehrend, im real life zu stehen (oder im Liegestuhl durchzuhängen)? Aber da gibt es diesen mallorquinischen Traum, himmelblau und wirklich gelebt von zwei Menschen – zugleich kollektiv ersehnt von Millionen Pandemie müden Individuen, tausendfach geteilt auf WhatsApp, in die Vorratsdatenspeicherung abgelegt als Fundstätte für künftige Ausgrabungstouristen.

Kein Zufall, dass der Titel der Arbeit – »me, me« (Mem) ›mi:mi,‹ i – auch als Meme gelesen werden kann und so ein Gedankenfenster in den virtuellen Raum öffnet. Memes, das sind Bewusstseinsinhalte mit meist hoher emotionaler Bedeutung, kleine Medieninhalte – z.B. eine Filmszene mit darübergelegtem Text – die in einer Community geteilt und modifiziert werden. In künstlich evolutionären Systemen wird das Mem auch als kulturelles Pendant zum Gen gesehen. Da es bei der Informationsweitergabe zwischen Menschen durch Maschinen leicht zu Missverständnissen kommt, haben sich zwei Kommunikations-Zeichen etabliert. Ein Häkchen und ein »seen« mit genauer Zeitangabe. Beides findet sich in Rosa Sterns Raumkonstruktion wieder. Was das wohl in der analogen Welt zu bedeuten hat, wo nicht immer alles am krummen Häkchen hängt?

Sabine Adler

Partner